CARL ABRAHAMSSON
Magister / Church of Satan
9 Fragen, 9 satanische Antworten
Hallo Carl. Ich danke dir, dass du dir die Zeit nimmst, für den Raben ein Interview zu machen.
Vielleicht zum Einstieg: Wie erklärst du Satanismus jemandem, der zu diesem Thema immer wieder mit denselben Argumenten wie Kindesmissbrauch, Tieropfer und Kirchenverbrennungen, wenn man nur wenige aufzählt, argumentiert? Es ist doch schwierig, diesen bornierten Menschen und auch den Medien verständlich klar zu machen, dass dies alles totaler Quatsch ist?
Ich denke, das Wichtigste ist, auf die Webseite der Church of Satan zu verweisen, wo alles so klar und deutlich angeführt ist, Und, zusätzlich, auf die Schriften von Anton LaVey. Wenn besagte Leute intelligent genug sind, dort nachzusehen, dann sollte A) keine weitere Erklärung mehr notwendig sein oder B) könnte eine interessante Unterhaltung beginnen.
Wie bist du persönlich zu dieser Philosophie gekommen?
In meiner Jugend fühlte ich mich zu Nietzsche hingezogen, aber auch zu einem magischen Zugang zu meinem Leben. Natürlich taucht da sofort Aleister Crowley auf mit seiner Philosophie des Thelema. Und LaVey. So war es dann auch. Ich las eine Menge Bücher und war auf einer Wellenlänge mit einigen dieser Autoren und Ideen. LaVey und seine Art des Satanismus war eine dieser Ideen, die ich unschätzbar wertvoll fand, da sie sowohl psychologischen als auch magischen Aspekten des menschlichen Geistes Glaubwürdigkeit verlieh und Verbindung mit der Philosophie Nietzsches hatte.
Wir kennen uns ja schon lange und ich weiss von dir, dass du Anton Szandor LaVey (Gründer der Church of Satan) persönlich gekannt hast. Wie kam es zu diesen Treffen und was war er für ein Mensch?
Ich war von LaVey und seiner Church fasziniert und hatte alles gelesen, was er geschrieben hatte. Zur selben Zeit war ich auch von der amerikanischen Popkultur besessen, inklusive Filmstars wie Jayne Mansfield. Da sie LaVey kannte, war ich inspiriert, einen Song mit dem Titel Sweet Jayne zu schreiben, den ich damals mit meiner Band aufnahm: White Stains. Ich schickte ihm eine Platte und er antwortete mit einem sehr freundlichen Brief und machte mich gleichzeitig zu einem Mitglied. Darauf besuchte ich ihn mehrmals in San Francisco. Er war ein unglaublich intelligenter und humorvoller Mensch, der ein sehr interessantes Leben führte. Er unterstützte mich auch sehr bei meinen eigenen Schriften und Veröffentlichungen und diese initiale Inspiration hat mich niemals mehr verlassen.
Du bist ja nicht nur Musiker und Filmemacher, sondern schreibst auch Bücher und publizierst sie. Seit kurzem ist dein neues Buch „California Infernal“ erschienen. Ein wunderbarer Fotoband über LaVey und Jayne Mansfield. Wie kam es zu diesem Projekt und welche Bedeutung hat das Buch für dich persönlich?
Es war eine Art „Vollkreiserfahrung“. Meine originale Inspiration (in der Form der Beziehung von LaVey zu Jayne Mansfield) und diese Schallplatte führten zu meinen Treffen mit LaVey. Das war 1987/88. 2013 oder so zeigte mir ein schwedischer Sammler, Alf Wahlgren, seine Sammlung von Photos und Negativen des Photographen Walter Fischer. Und sie zeigten alle LaVey und Jayne, sowie die frühen Tage der Church. Ich fiel zurück in meine ursprüngliche Inspiration und es machte jede Menge Spaß. Wir beschlossen, daraus ein Buch zu machen, und so kam es zu California Infernal. Das gab mir auch eine Gelegenheit, die alte Geschichte nochmal zu erzählen und LaVeys alten Freund Kenneth Anger dazu zu bringen, eine kurze Einleitung zu verfassen. So entstand ein wirklich phantastisches Buch!
Das Buch California Infernal zu bestellen unter trapart.net
Wie du ja weisst, ist der Rabe ein Aussenposten für den deutschsprachigen Raum der Church of Satan. Wie siehst du es im Allgemeinen mit dem Verständnis im deutschen Raum, was das Thema Satanismus angeht. Machst du da Unterschiede, wenn man bedenkt, dass der Gründer des modernen Satanismus und der Church of Satan Anton Szandor LaVey in Amerika lebte?
Schwer zu sagen. Die Philosophie, sein Leben in vollen Zügen zu genießen unter Einbeziehung von Ritualen ist natürlich universell anwendbar. LaVey wob Quellen aus vielen Teilen der ganzen Welt hinein, wodurch er eine ultra-pragmatische und anwendbare Methode dafür erschuf. Natürlich sollte diese Information in vielen verschiedenen Sprachen und Kulturen verfügbar sein. So ist der Rabe eine notwendige Manifestation dieser Notwendigkeit.
Haben sich deiner Meinung nach der Satanismus und das Verständnis für die Philosophie nach dem Tod von LaVey verändert? Ich denke da nur, dass man ja auch mit der Zeit gehen muss.
Bewegungen oder Gruppen haben es immer schwer, wenn eine starke Führungspersönlichkeit dahingeht. Aber es freut mich, zu sagen, dass die Church of Satan stärker ist als jemals zuvor. Die Veröffentlichung neuer grundlegender Bücher (Gilmore, Johnson, et al) ist ein gesundes Zeichen und ein Schritt nach vorne. Ich denke, dass das Verständnis für und die Akzeptanz der Church sich stark gebessert haben. Es kommt ganz auf die Präsentation an, nicht wahr?
Ich frage dich, ist Okkultismus und Satanismus dasselbe wie Surrealismus und Realismus? Oder wie verbindest du den Okkultismus in der Philosophie, sofern so etwas überhaupt existiert?
Obwohl die Church eine erklärte weltliche und atheistische Haltung bezieht, gibt es trotzdem eine aufgeschlossene Einstellung gegenüber okkulten Technologien und Methoden. Es bleibt jedem einzelnen Individuum überlassen, wie stark er oder sie okkulte Methoden oder Einstellungen einbeziehen möchte. Der Hokuspokus ist nicht im geringsten erforderlich. Persönlich beziehe ich Rituale mit ein und glaube, dass „übersinnliche“ Methoden Veränderungen im Leben hervorrufen können. Aber das bin ich.
Foto Copyright von Vanessa Sinclaire
Gerne komme ich auf ein aktuelles Thema zu sprechen. Was wir ja heute mit Terror und Krieg in Gottes Namen erleben, ist in seiner Grausamkeit kaum vorstellbar. Ich möchte anmerken, dass sich dieses Schauspiel zwar immer wieder von neuem erhebt und was die Christen in den Kreuzzügen machten, ist heute in muslimischen Kreisen normal. Aber was denkst du, wie wird sich die Lage entwickeln und wie sieht unser Europa in den kommenden Jahren aus?
Es macht sicherlich den Eindruck, dass eine wachsende Polarisierung vonstattengeht, in den USA und in Europa. Ich finde das sehr bedauerlich, da dies das Spiel beträchtlich vereinfacht und so das Potential für kreativen Pragmatismus und großzügige Anwendung von Individualismus und Freiheit schwächt - zwei grundlegende satanische Qualitäten. Aktion führt nun bloß zu Reaktion, und wenn Menschen und Kulturen Angst haben, kommt es zu einer Spirale. Ich bin ein starker Vertreter kultureller Heterogenität, und monotheistische Einstellungen führen immer zu einer schwachen „Monokultur“ (Christen, Muslime, Juden, usw.). Unaufgeklärter Monotheismus ist für praktisch alles verantwortlich zu machen, was heutzutage schief läuft und bedroht den Planeten als Ganzes. Wenn ich zuständig wäre, würde ich sicherstellen, dass die Menschen ihre Religion daheim lassen. Sie sollte von öffentlichen Plätzen und aus öffentlichen Dialogen verbannt sein. Menschen, die sich in öffentlichen Ämtern in irgendeiner Form eines Monotheismus öffentlich andächtig zeigen, sollten gefeuert werden. Es ist besonders traurig, dass dem Christentum, dem schwächsten dieser drei Übel, ein Durchdringen des politischen Lebens erlaubt wird, so wie es anscheinend in den USA geschieht. Ein christliches Gerüst auf was auch immer anzuwenden ist ein garantierter Weg zu raschem Versagen.
Zum Schluss, was sind deine kommenden Pläne? Hast du Projekte, auf die wir uns freuen können?
Ich bemühe mich nach Kräften, mein Leben so stark als möglich zu genießen, und ich bin mittlerweile ziemlich gut darin. So schreibe ich, mache Musik und Filme und veröffentliche Bücher, die mich interessieren und inspirieren (und hoffentlich auch andere), wie etwa die Serie The Fenris Wolf. So bedeutet die Zukunft hauptsächlich mehr davon: Betonung des Lebens über die Kultur. Großartig jetzt und in Zukunft!
Ich danke dir für deine Zeit und wünsche dir weiterhin alles Gute!
Danke! Auch alles Gute für dich und den Raben.
Für mehr Informationen:
www.carlabrahamsson.com
www.trapart.net