PROLOGESSAYSÜBERSETZUNGENSATANISCHE LITERATURINFO FÜR DIE MEDIENUNTER ANDEREM

Elvis lebt - McCartney ist tot!
Eine kritische Betrachtung zu Verschwörungstheorien
von Magister Herbert P.
Church of Satan

„Unsere Lösung ist: Macht und Hinterlist.“ - Protokolle der Weisen von Zion

Ich komme nicht umhin, zuzugeben, dass es mich ein klein wenig belustigt, gerade in Zusammenhang mit Verschwörungstheorien den Advocatus Diaboli zu spielen und zu versuchen, das Thema etwas unter einem wissenschaftlich analytischen Aspekt zu betrachten. Dennoch ist die Absicht dahinter ernst. Windige und unseriöse Verschwörungstheorien gab und gibt es seit Jahrhunderten sonder Zahl. Indem ich versuche aufzuzeigen, was denn eigentlich eine solche Verschwörungstheorie ausmacht, will ich Hinweise dafür geben, wie man seriöse Berichte und Aussagen erkennen kann und wie sich diese sich abgrenzen müssen, um nicht im vornherein als Verschwörungstheorie abgekanzelt und lächerlich gemacht zu werden.

Zwar köcheln die diversesten Verschwörungstheorien ja permanent auf kleiner Flamme in ihrem eigenen Saft, aber in letzter Zeit hat sich wieder einmal die Öffentlichkeit ihrer in größerem Stil angenommen, Chemtrails sei Dank - meist in Form von nach Schlagzeilen (lies: Auflage) gierenden Medien. Immer dann, wenn neue Verfilmungen der kontroversiellen Romane von Dan Brown herauskommen, sei es der neue Film Illuminati oder Sakrileg vor einigen Jahren, geistern auch die Verschwörungstheorien wieder besonders intensiv durch die Medienlandschaft. Dass dabei eigentlich die Anlässe völlig unangebracht sind, weil Brown immer wieder auch selbst betont, dass es sich bei seinen Romanen um fiktive Erzählungen handelt, sei hier nur am Rande erwähnt, obwohl es, wie wir noch sehen werden, perfekt in das Gesamtbild hineinpasst.

Die Geschichte der Verschwörungstheorien reicht bis weit in die Vergangenheit zurück. Dem durch seine Christenverfolgungen bei den frühen Christen verhassten römischen Kaiser Nero haben diese so erfolgreich angedichtet, dass er Rom angezündet hat, dass diese Legende, obwohl mehrmals wissenschaftlich widerlegt, einfach nicht auszurotten ist. Laut zeitgenössischen Berichten hielt er sich bei Ausbruch des Brandes in seiner Villa in Antium auf - 80 Kilometer von Rom entfernt. Erst Sueton hat ihm 70 Jahre später (!) vorgeworfen, Rom angezündet zu haben und die frühchristlichen Autoren des 5. Jhdts. betrachten es bereits als Tatsache. Wohl die Revanche dafür, dass Nero den Brand den Christen in die Schuhe schieben wollte.

Im Mittelalter waren Verschwörungstheorien dann dünn angesiedelt, man zog sich beim Erklären von negativen Ereignissen eher auf „Gottes unerforschlichen Ratschluss“ zurück. Bei der Pest hatte man allerdings auch Theorien, die die Krankheit als Folgen von Brunnenvergiftungen durch Juden zu erklären versuchten.

Im 17. Jhdt. traten dann erstmals Verschwörungstheorien als Geschichtsbilder auf, wie wir sie heute auch kennen, etwa in Form einer vom Ausland gesteuerten Jesuiten-Verschwörung 1678 in England, die zu großer Aufregung führte. 35 Katholiken wurden wegen angeblichem Hochverrats hingerichtet und es dauerte über 10 Jahre, bis sich die Wogen wieder glätteten.

Die Französische Revolution wiederum war eine Zeit der Hochblüte von Verschwörungstheorien aller Art, die pikanterweise aber durch viele reale Kerne gekennzeichnet waren, da der Adel und Teile des Klerus sich in der Tat mit dem Ausland verbündet vielfach im Geheimen zusammenfanden, um den alten Status quo ante wieder herzustellen. Robespierre wird nachgesagt, geradezu besessen von Verschwörungen gewesen zu sein, was ihn letztlich auch zu Fall brachte .

Ihren absoluten Höhepunkt erlebten dann die Verschwörungstheorien zum Ende des 18. und im 19. Jhdt., dem Zeitalter der Revolutionen und der Aufklärung, in Deutschland, vor allem in Bayern. Zu dieser Zeit existierten die Illuminaten tatsächlich, ein Geheimbund unter Adam Weishaupt, der nicht mehr und nicht weniger als eine radikaldemokratische Umgestaltung der Gesellschaft zum Ziel hatte. Doch nach einer kurzen Blütezeit um 1776, in der die Zahl der Mitglieder der Illuminaten wegen eine Krise der Freimauerei steil nach oben schoss, wurde der Geheimbund an die Behörden verraten und umgehend verboten. Einige Versuche, diese zu umgehen, führten zu einer Folge von neuerlichen Verboten (1787 wurde das Rekrutieren von Mitgliedern für die Illuminaten in Bayern sogar mit der Todesstrafe bedroht). Hartnäckig hielten sich aber Gerüchte um ein Fortbestehen der Illuminaten und zusammen mit einigen einschlägigen Veröffentlichungen kam es zu einer wahren Illuminatenhysterie. An allen Ecken und Enden witterte man Verschwörungen, überhaupt in Zusammenhang mit der Französischen Revolution.

Im zweiten Drittel des 19. Jhdts. begannen dann die Verschwörungstheorien langsam auch, antisemitische Züge anzunehmen. Französische Rechtskatholiken erklärten die Freimaurer zu einer Deckorganisation des Judentums. Anfang des 20 Jhdts. erschienen dann die Protokolle der Weisen von Zion, wie man heute annimmt, aus der Feder des damaligen russischen Geheimdienstes Ochrana. Dieses nüchtern betrachtet relativ plumpe Werk war dennoch von unglaublichem Einfluss auf Ideologien und die gesamte Geschichte, hat sie doch als Verschwörungstheorie die Weltanschauungen von Lenin über Hitler bis zu Stalin geprägt, begleitet von einem allgemeinen Wandel von „den Juden“ hin zum Imperialismus und Kapitalismus, natürlich immer noch mit starken antisemitischen Zügen.

Nach 1945 hat sich das Hauptgebiet für Verschwörungstheorien mehr zur USA hin verlagert, ohne deshalb weniger skurrile Elemente zu beinhalten. Getrieben von der Angst vor dem Kommunismus spannt sich hier ein weiter Bogen von Verschwörungstheorien aller Art. Angefangen von eher harmlosen, fast schon amüsanten Theorien, dass Elvis Presley seine Tod nur vorgetäuscht hat, um in Ruhe abtauchen zu können, dafür ist Paul McCartney tot und wurde durch einen Doppelgänger ersetzt, bis hin zu Vermutungen, die Mondlandung wurde von der NASA nur vorgetäuscht mit Studioaufnahmen und Trickfilmen (Eine noch bessere Version lautet: Die NASA ist 1969 irrtümlich auf dem Mars statt auf dem Mond gelandet und wollte diese Peinlichkeit verschweigen!), gibt es aber auch eine Reihe von wesentlich ernsteren Theorien und Vermutungen. Erwähnt seien hier nur stellvertretend für eine Vielzahl von Verschwörungstheorien, die Ermordung von John F. Kennedy durch die CIA (oder war es etwa doch die Mafia?), weil sie mit seinen politischen Zukunftsplänen nicht einverstanden waren.

Und zu guter Letzt sei in diesem historischen Überblick auch noch die moderne islamische Gesellschaft erwähnt, die in einer Mischung aus Theorien zum 11. September, einem zu einem Antiisraelismus mutierten Antisemitismus und ein paar antiimperialistischen Tendenzen versucht, eine Erklärung für ihr Zurückbleiben in der modernen Gesellschaft des 21. Jhtds. zu erklären. Seit dem Sechs-Tage-Krieg wittern sie eine Verschwörung der westlichen Welt, um die islamische Welt niederzuhalten.

UFO-Explosionen in Sibirien, kleine grüne Männchen in Area 51, von Geheimdiensten ermordete Prinzessinnen, man könnte diese Liste noch seitenlang fortsetzen und zu jeder einzelnen der teilweise sich echt atemberaubend anhörenden Theorien könnte man einen eigenen Artikel verfassen, doch das ist eigentlich nicht meine Absicht. Ich will hier nicht auf einzelne Verschwörungstheorien eingehen und mich in längliche Diskussionen einlassen, ob jener denn nun oder etwa doch nicht? Das möge machen, wer will. Mir geht es eigentlich um eine Diskussion des Warum und Wieso.

Was macht denn nun eigentlich eine Verschwörungstheorie genau aus? Das Lexikon sagt uns, es handelt sich dabei „im weitesten Sinne [um] eine Theorie, mit der ein Ereignis, ein Zustand oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung erklärt werden soll, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken von Personen zu einem illegalen oder illegitimen Zweck.“ Etwas kompliziert formuliert, aber im Grunde ganz einfach. Doch halt, ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Sieht man sich an, welche Verschwörungstheorien es in der Vergangenheit gegeben hat bzw. heute so gibt, muss man eine diffizilere Definition suchen. Und unsere Suche wollen wir in uns beginnen, genauer im menschlichen Gehirn.

Ursächlich ist die Art und Weise, wie die meisten Menschen denken, wie sie im allgemeinen gestrickt sind, also simpel und unkompliziert, der beste Nährboden für das Entstehen einer Verschwörungstheorie. Es ist auf der einen Seite in uns, für alles und jedes immer möglichst leicht verständliche Erklärungen zu suchen. Wir scheuen das Komplexe. Auf der anderen Seite herrscht aber auch wieder ein tiefes Misstrauen gegenüber einfachen und banalen Erklärungen, frei nach dem Motto, „das kann doch nicht alles gewesen sein.“ Wir suchen, bewusst oder unbewusst, die Erklärung hinter der Erklärung. Wenn diese dann auch noch in der Lage ist, Sündenböcke zu präsentieren, umso besser. Das erlaubet es uns, die Schuld einfach und ohne weiteres Nachdenken auf konkrete Personen projizieren zu können.

Vieles, das rund um uns passiert, vor allem, wenn es einen besonderen Einfluss auf die Öffentlichkeit oder das Weltgeschehen hat, ist oft hoch komplex strukturiert und schwer erklärbar. Unser Verstand sucht aber, wie gesagt, immer nach Lösungen und Erklärungen, die sich möglichst einfach darlegen und verstehen lassen. Auch fällt es uns oftmals schwer, an Zufall zu glauben, selbst wenn es im Zusammenhang mit großen Ereignissen nachweislich einen gegeben hat (öfter sogar, als wir denken). Verschwörungstheorien sind da die ideale Lösung - sie geben, wie weit hergeholt sie auch sein möchten, eine letztlich doch wieder einfache Erklärung für Ereignisse, bieten Schuldige, seien es nun Einzelne, Gruppen oder gar ganze Völker oder Rassen, schließen den Zufall aus und geben uns dazu noch insgeheim eine Bestätigung für unseren Verdacht, den wir ja „sowieso immer schon hatten“.

An dieser Stelle sei mir ein kleiner Exkurs über den Zufall erlaubt. Kaum etwas, abgesehen vielleicht vom mathematischen Prinzip der Unendlichkeit, wird von den meisten Menschen so gründlich missverstanden wie der Zufall. Der Begriff steht in der Regel dafür, dass etwas, z.B. der Eintritt eines Ereignisses, nicht vorhersehbar und kausal nicht erklärbar ist. Über eine genaue Definition streiten Physiker, Mathematiker, Philosophen und Soziologen. Otto Normalverbraucher wiederum nimmt nur seufzend zur Kenntnis, dass er die - auch zufällig ermittelten - Lottozahlen schon wieder nicht erraten hat, obwohl er ja ausschließlich lauter „längst fällige“ Zahlen getippt hat. Dass das in Wahrheit auf ein gründliches Missverstehen von Statistik zurückzuführen ist, soll uns hier nicht weiter kümmern.
Übrig bleibt letztlich nur, dass es schier unmöglich ist, diese „zufälligen“ Zahlen zuverlässig zu erraten. Und dann kommen da scheinbar Gelehrte herbei und wollen ihm einreden, dass irgend ein Ereignis, das die Weltgeschichte maßgeblich beeinflusst, ja vielleicht sogar ihren Lauf drastisch verändert hat, „zufällig“ passiert sei! Wie bitte? Das kann ja wohl nicht sein! So was wie Zufall gibt es ja doch gar nicht, siehe Lottozahlen. Da muss ja wohl mehr dahinter sein …

Wissenschaftlich unterscheidet man bei den Verschwörungstheorien zwei Bereiche, das sind zum einen die so genannten Zentralsteuerungshypothesen, also Verschwörungstheorien, bei denen im Hintergrund geheime Mächte, Geheimdienste, Gruppen oder Einzelpersonen stehen sollen, die im Verborgenen wirken und ihre sinistren Pläne zur Ausführung bringen. Diese Zentralsteuerungshypothesen gehen von durchaus realen Geschehnissen aus, man denke etwa an real existierende Verschwörungen, etwa aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität, der Mafia oder der in Brüssel allseits so beliebte und sehr diskret gewirkte Lobbyismus der Industrie. Basierend auf solchen Fällen, die dank mehr oder weniger gezielter Indiskretionen gelegentlich durchsickern, bauen dann gerne Menschen oder auch Medien neue Hypothesen und Verschwörungstheorien auf, ohne besondere Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt. Schon Friedrich Torberg lässt in seiner Tante Jolesch den alten Raabe-Jenkins vom Prager Tagblatt erläutern, dass es bei einer Geschichte keineswegs darauf ankommt, ob sie wahr ist: „Wahr ist egal - gut muß sie sein.“

Ein gutes Beispiel für diese Gruppe bilden etwa die bereits im historischen Überblick angesprochenen Illuminaten. Ja, diese wollten tatsächlich eine Revolution, allerdings im besten Sinne der damals gerade modernen Aufklärung. Demokratie und Freiheit - für die Herrschenden der Zeit natürlich ein geradezu entsetzlicher und furchterregender Gedanke. Doch die wahre Geschichte der Illuminaten war ebenso kurz wie kompliziert und sie sind schon lange Geschichte. Was sich heute unter den modernen Gruppen, die alle darum wetteifern, die Nachfolge der ehemaligen Verschwörer angetreten zu haben, in der Regel so verbirgt, ist kaum der Rede wert. „Geheimgesellschaften“ mit Webseiten und Internetauftritt - Adam Weishaupt würde sich im Gabe umdrehen! Doch halt, da gibt es ja diese jährlichen Treffen, bei denen sich Staatschefs der (vorwiegend westlichen) Welt treffen, um einen Gedankenaustausch zu pflegen - die Bilderberger. Da um diese Treffen in der Regel, wohl aus Sicherheitserwägungen heraus, immer eine ziemliche Geheimnistuerei besteht, haben wir ein reichliches Betätigungsfeld für die diversesten Verschwörungstheorien, von der Weltdiktatur über die Freimaurer bis hin zur Neuen Weltordnung.

Während aber die Zentralsteuerungshypothese in dem einen oder anderen Fall aus einer realen Verschwörung heraus eine neue Theorie gebiert, so geht die andere große Gruppe, die der reinen Verschwörungsideologien, in der Regel von einer völlig der Phantasie entsprungenen Grundvoraussetzung aus. Ein gutes Beispiel dazu ist die Geschichte der Mondlandung. Die ganze damals hoch komplexe Technik mit einer unüberschaubaren Anzahl von im Hintergrund ablaufenden logistischen und organisatorischen Prozessen sowie einer aus der seinerzeit durch den Wettlauf um das All mit der Sowjetunion getriebenen (aus heutiger Sicht eher dezenten) Geheimhaltung weckten in vielen Menschen, vor allem US-Bürgern, Zweifel, ob dieses so wundersam anmutende Ereignis überhaupt wirklich stattgefunden hat. Begründet wird diese Theorie unter anderem mit vielen Behauptungen und Scheinbeweisen, die zwar auf den ersten Blick hin bedenklich wirken, in Wahrheit aber vor allem auf einer Mischung aus fachlicher Unkenntnis und technischer Ignoranz zum Beispiel zum Thema Fotografie (genauer Parallaxenverschiebung und Schattenwurf) beruhen.

Was macht denn nun eigentlich eine erfolgreiche Verschwörungstheorie genau aus? Antworten dazu gibt eines der besten Bücher zum Thema, das ich nicht in eine Fußnote verbannen möchte: Thomas Grüter, Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer: Wie Verschwörungstheorien funktionieren, Scherz, 2006. Der Autor stellt die Regeln für eine solche zusammen. Dabei gibt es einige wenige Punkte zu beachten, die auch gleich zeigen, was die wichtigsten Elemente einer Verschwörungstheorie ausmacht:

Die Grundlage bildet ein möglichst einfach formulierter Verschwörungsglaube. Unerklärtes wird zusammengefasst, Fragen werden dabei aufgeworfen und bestehende Erklärungen angezweifelt.Wo es sich anbietet, sollte man nachprüfbare Zahlen nutzen und dabei gewagte Schlussfolgerungen einfach einfließen lassen.
Etablierte Methoden und Erkenntnisse immer wieder in Frage stellen, dabei - im Idealfall bekannte - Wissenschaftler oder Journalisten pauschal angreifen, als parteiisch und den Mächtigen verhaftet bezeichnen. Wer sich gegen die These zu stellen versucht, muss ein Teil der Verschwörung sein.
Scheinbar (oder tatsächlich) nicht zusammenhängende Ereignisse, Indizien und Aussagen zu einem neuen Sinnzusammenhang zusammenführen. Wahres, Halbwahres und Erfundenes so eng zusammenbinden, dass der Aufwand zur Nachrecherche zu aufwändig wird, dabei Motive für die angeblich beteiligten Personen oder Gruppen erfinden.

Wer diese Regeln strikt befolgt, hat beste Chancen, seine eigene Verschwörungstheorie erfolgreich auf die Beine zu stellen. Je einfacher, desto besser, im Zweifelsfall bemüht man einen berühmten englischen Gelehrten aus dem 13. Jhdt., Wilhelm von Ockham, der unter dem Namen Occam‘s Razor (wörtl. „Ockhams Rasiermesser“) das so genannte Sparsamkeitsprinzip der Wissenschaft aufgestellt hat. Es besagt, das von mehreren Theorien, die alle den gleichen Sachverhalt beschreiben, die einfachste zu bevorzugen ist. Manchmal muss man allerdings auch peinlich Bedacht nehmen, um dieses Prinzip einen möglichst großen Bogen zu machen, je nach Bedarf. Was ist der einfachere Fall: dass ein betrunkener Chauffeur bei überhöhter Geschwindigkeit einen fatalen Unfall verursacht hat oder dass ein Geheimdienst auf Anweisung aus dem Palast ein Mordkomplott wirkt? Der Leser möge selbst entscheiden.

Wichtig ist jedenfalls, dass eine Verschwörungstheorie weder zu beweisen noch zu widerlegen ist. Wäre sie beweisbar, wäre es ja keine Theorie mehr und wenn man sie widerlegen könnte, so wäre sie weg vom Fenster der allgemeinen Aufmerksamkeit. Es ist also wichtig, ein möglichst geschlossenes Gebäude von Theorien aufzubauen, das dann auch noch komplex und schwierig nachvollziehbar im Kreis verweist. Entsprechend fehlende Spuren können dann immer noch rechtzeitig von den Verschwörern verwischt worden sein. Auch kann man Kritiker, Expertenmeinungen und Zweifler im Zweifelsfall immer als Mitwisser bezeichnen und das Fehlen von Beweisen als weiteren Beweis für die angenommene Verschwörung und ihre Effizienz werten. Man bezeichnet diese Resistenz gegen jede Art von Widerspruch auch als „Immunisierung“ einer Verschwörungstheorie.

Das ganze Dilemma der Verschwörungstheorien kommt am besten in einem Zitat von Machiavelli über Verschwörungen in seinem literarischen Hauptwerk Discorsi zum Ausdruck: „Dem Fürsten kann nichts Übleres als eine Verschwörung zustoßen, denn sie kostet ihm entweder das Leben oder beschädigt seinen Ruf. Eine gelungene Verschwörung bringt ihn um. Deckt er die Verschwörung auf und lässt die Verschwörer hinrichten, so glauben die Menschen, er habe die Verschwörung nur erfunden, um seinen Gegnern zu schaden.“
Ein sehr nettes Werk zum Thema ist auch das Buch Verschwörungen von David Southwell und Sean Twist, das zwar nicht besonders in die Tiefe geht, dafür aber einen breit gefächerten Überblick über alte und neue Verschwörungstheorien gibt und versucht, strukturiert Informationen sowie Für und Wider zu jeder Theorie anzugeben. Ohne Wertung werden einfach Fakten gesammelt und dargestellt und das Ziehen jedweder Schlussfolgerungen wird dem Publikum überlassen. Allerdings schwingt vielfach ein eher skeptischer Unterton mit, so dass wohl unter dem Strich die Objektivität ein wenig leidet. Dennoch überzeugt das Buch durch seine Struktur und die große Zahl der betrachteten Fälle.

Ich habe in dieser kleinen Abhandlung versucht, ganz gegen die Intention von Verschwörungstheorien, dafür im Stil wissenschaftlicher Arbeiten (deren eine zu sein jedoch kein Anspruch dieses Artikels ist) immer meine Quellen anzugeben. An weiterführender Literatur interessierte Leser, die über die hier vorgestellten und zitierten Werke hinaus ihre eigenen Recherchen anstellen möchten, mögen einfach beim Literatursuchdienst ihres Vertrauens den Suchbegriff „Verschwörungstheorie“ eingeben, es findet sich garantiert eine lange Liste von einschlägigen Büchern. Zum Schluss möchte ich auch noch auf eine zwar nicht besonders aktuelle, aber nichtsdestotrotz hervorragende Sammlung von Begriffen und Literaturquellen zum Thema Verschwörungstheorien hinweisen, nämlich die englischsprachige Conspiracy Theory Literature FAQ aus den Internet FAQ Archiven. Obwohl die letzte Aktualisierung aus dem Jahr 1997 stammt, sind die meisten der dort angegebenen Bücher noch immer erhältlich und erlauben es, sich selbst ein ausführliches Bild über Verschwörungstheorien zu machen.

Meinen Sie jetzt, werte Leserin oder werter Leser, gegen alle Verschwörungstheorien immun zu sein? Fein. Zu guter Letzt sei aber vorsichtshalber doch noch der Rat des deutschen Schriftstellers, Kabarettisten und Malers Joachim Ringelnatz (1883 - 1934) hier angebracht: „Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“

Jeffrey L. Sammons (Hg), Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus. Eine Fälschung. Text und Kommentar, Wallstein, Göttingen, 2. Aufl. 2001
https://de.wikipedia.org/wiki/Chemtrail
engl.: The DaVinci Code
Geoffrey T. Cubitt, Robespierre and Conspiracy Theories, in: Colin Haydon und William Doyle (Hgg.), Robespierre, Cambridge University Press 1999, S. 75 – 91
https://de.wikipedia.org/wiki/Adam_Weishaupt
https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_is_dead
http://www.uni-muenster.de/PeaCon/conspiracy/taz-21c-theories.htm
Robert Anton Wilson, Lexikon der Verschwörungstheorien, Frankfurt am Main: Eichborn, 2000
https://de.wikipedia.org/wiki/Verschwörungstheorie, leider ist dieser Artikel in der Wikipedia (im Gegensatz zu etlichen anderen dort zum Thema) sehr wissenschaftlich theoretisch und wenig anschaulich gehalten
Friedrich Torberg, Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten, dtv, 1977
Der Name stammt vom Hotel Bilderberg, in dem 1954 das erste Treffen dieser Art stattfand - siehe dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/Bilderberg-Konferenz
Siehe dazu eines der wohl erschöpfendsten Werke zu diesem Thema: E.R: Carmin, Das schwarze Reich: Geheimgesellschaften und Politik, Ullstein, 2006
Eine recht gute Diskussion dazu, die auf alle bekannten Argumente eingeht und sie erfolgreich widerlegt, findet sich unter https://de.wikipedia.org/wiki/Verschwörungstheorien_zur_Mondlandung
Eine hervorragende und gleichzeitig auch sehr amüsant zu lesende Anleitung dazu findet man bei W. Krämer, So lügt man mit Statistik, Piper, 2000
https://de.wikipedia.org/wiki/Bielefeldverschwörung
Niccolò Machiavelli (1469 - 1527), Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio (Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius, deutsch meist nur Discorsi, auch mit Untertiteln wie Gedanken über Politik und Staatsführung)
Verschwörungen, Die 100 spektakulärsten Fälle, David Southwell & Sean Twist, Carlton Books 2004, Deutsch bei Ueberreuter, Wien, 2007
FAQ Abkürzung für engl. Frequently Asked Questions, also häufig gestellte Fragen, meistens in Form einer Liste, die dann auch noch die Antworten dazu enthält
http://www.faqs.org/faqs/books/conspiracy-theory/