PROLOGESSAYSÜBERSETZUNGENSATANISCHE LITERATURINFO FÜR DIE MEDIENUNTER ANDEREM

Freiheit, schöner Götterfunken …
von Magister Herbert P.
Eine nicht geplante Rezension …

Eigentlich war ich gerade drauf und dran, einen hochgeistigen Text zum Thema der Satanischen Philosophie zu verfassen, als mein Blick beim Durchsehen der Post auf ein dünnes Pamphlet fiel, das ob seiner frappanten Ähnlichkeit mit diversen immer wieder bei mir auftauchenden Kirchenblättchen schon drauf und dran war, ungelesen zu Altpapier zu mutieren. Aber wie formulierte einst Wilhelm Busch so treffend: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt! In prächtigen, riesigen Frakturlettern prangte da doch glatt der Titel „Europäische Kirchenfreie Rundschau“
obenauf. Als ich dann noch den vielsagenden Untertitel „Freigeistige Zeitschrift für Kultur, Philosophie und Religion“ las, war es um mich geschehen. Doch bereits nach kurzer Zeit wich die gespannte Erwartung einer Enttäuschung. Was ich da sah, war
zutiefst widersinnig und in sich unlogisch und inkonsistent. Nun ja, was hatte ich denn auch erwartet? Aber gerade, als ich mich erneut zum Altpapier aufmachen wollte, entdeckte ich unter der Rubrik „Frohbotschaften“ [sic!] einen Bericht über die offizielle Zulassung von Satanismus als Glaube bei der Britischen Marine. Sollte ich mich doch geirrt haben? Ich beschloß also, dem Blättchen eine zweite Chance zu geben, etwas, das bei mir nicht allzu oft vorkommt. Wie eigentlich nicht anders zu erwarten war, dachte es nicht im Traume daran, diese zu nutzen. Nachdem ich besagten Artikel gelesen hatte, war meine Stimmung allerdings in Ärger umgeschlagen; diese Typen waren um keinen Deut besser als die von ihnen so viel kritisierten Kirchen. Doch nun hatte die „Zeitschrift“ meine Aufmerksamkeit bereits zum zweiten Mal beansprucht, und nun sollte sie bekommen, wonach sie trachtete. Auch wenn es ihr nicht so ganz bekommen würde. Aber alles schön der Reihe nach.
„’Begin at the beginning,’ the King said gravely, ‘and
go on till you come to the end: then stop.’” (Alice’s
Adventures in Wonderland, Lewis Carroll 1865)
Auf der Titelseite wird hier schon mal keck behauptet, daß Schillers Ode an die Freude eigentlich mit den Worten „Freiheit, schöner Götterfunken …“ beginnen sollte, diese Formulierung aber dann der damals allgegenwärtigen Zensur zum Oper gefallen war. So war der große Dichter angeblich von der Zensur 1785 gezwungen worden, den Beginn auf „Freude, schöner Götterfunken …“ zu ändern. Diese Behauptung, von Turnvater Jahn im Jahre 1796 getätigt, wird in epischer Breite ausgewalzt und analysiert, mit zum Teil wirren Argumenten und Fußnoten. Dann wird
schließlich behauptet, daß die bekannten Quellen aus jener Zeit eigentlich weder einen Beweis, noch einen Gegenbeweis liefern.
So weit, so gut. Zu meiner nicht geringen Überraschung mußte ich dann aber in einer ziemlich langen Fußnote entdecken, daß der oder die Autoren dort auf einmal doch einen Gegenbeweis versteckt hatten. Ohne den Leser hier mit Details langweilen zu wollen, wurde dort sogar sehr schlüssig bewiesen, daß die Person, die die von Turnvater Jahn überlieferte Aussagen ursprünglich getätigt hatte, und die behauptete, seinerzeit Schillers Assistent gewesen zu sein, gelogen haben mußte. Schiller hatte gemäß allen Überlieferungen in besagtem Jahr 1785 nämlich überhaupt keinen Assistenten. Was sagt man dazu? Aber kaum, daß ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, kam ich auf besagte Seite mit dem Übertext „Frohbotschaften“. Der Artikel „Satanismus in der Britischen Marine als Glaube“ erweckte naturgemäß mein besonderes Interesse, insbesondere in Zusammenhang
mit der Rubrik, unter der der Text stand. Aber bereits der erste Satz lies in mir den Gedanken aufkeimen, daß es sich hier wohl um absichtlichen Zynismus von Seiten der Herausgeber handeln mußte, stand hier doch tatsächlich „Der Liberalismus, insbesondere der Liberalismus gegenüber ‚Religionsgemeinschaften’ und Sekten treibt derzeit wunderliche Blüten.“2 Wie bitte? Man beklagt sich dann in der Folge, daß auf Schiffen der britischen Royal Navy auch Satanismus praktiziert werden darf, „und dies mehr als 200 Jahre nach der Aufklärung im Zeitalter des wissenschaftlichen Weltbildes!“3 Wissenschaftliches Weltbild, daß ich nicht lache. Da paßt ja der gerade so in Mode befindlichen Kreativismus so richtig dazu, könnte man meinen. Und, um die unbefangene und ach so seriöse freigeistige Berichterstattung weiter zu zitieren: „Da die Marine keine Religion diskriminieren will, erhielt der Techniker (!) Cranmer (24) mit dem ‚passenden’ Vornamen Christ jetzt die offizielle
Genehmigung zur Ausübung seines ‚Glaubens’.“4 Weiters wird dann ausgiebig lamentiert5, wann denn endlich die Anhänger des naturwissenschaftlichen Weltbildes, die „Konfessionslosen“, das ja gewissermaßen auch eine Glaubensangelegenheit sei, als Religion anerkannt werden. Na die ganzen Konfessionslosen dieser und anderer Lande würden sich bedanken, wenn man sie als „Religionsgemeinschaft“ anerkennt. Was sollte es denn bitte für ein Problem
darstellen, daß soundsoviel Prozent der Bürger, die sich als konfessionslos deklariert haben, keine religiösen Rechte besitzen?
Bezeichnend in diesem Zusammenhang auch die Erwähnung von Island und Dänemark, die die alten germanischen Religionen öffentlich anerkannt haben. Es ist mir absolut schleierhaft, warum diese Tatsache freigeistige kirchenfreie Geister in irgendeiner Weise bewegt oder sogar beunruhigt. Doch schon nach dem nächsten Umblättern kommt auf einmal Licht in die Sache, leuchtet mir doch plötzlich, wenngleich nach bisherigen Erfahrungen vielleicht nicht gänzlich unerwartet, ein Einzahlungsschein entgegen. Lautend auf eine „Landeskörperschaft Wien der Staatsbürger ohne religiöses Bekenntnis“, will man dort von mir € 12,- Mitgliedsbeitrag und nochmals € 10,- für den Bezug dieser ominösen Zeitschrift. Auch finden sich dort noch die Vermerke „Fordern Sie Gratis-Probeexemplare an!“ und, den Datenschützer verkrampft es, die Aufforderung „Nennen Sie uns Werbeanschriften“. In meinen Augen handelt es sich dabei sogar um die Aufforderung zu einer Straftat.6 Einige Seiten weiter, wir wollen über ihren Inhalt
gnädig den Mantel des Schweigens bereiten, findet sich auch noch die Aufforderung an Probeleser, ihre Jahresgebühr zu begleichen. Die Idee, daß sich ein Probeleser nach der Lektüre des Blattes dazu entschlossen haben könnte, durch Nichteinzahlen von irgendwelchen Gebühren den Wunsch nach keinem weiteren Bezug kundzutun, kommt den Herausgebern nicht einmal. Die Offenlegung im Impressum wirkt nach all den bisherigen Betrachtungen eigentlich nur wie blanker Hohn: „Grundlegende Richtung: konfessionslos bzw. freigeistig, ethisch-humanitär, demokratisch.“ Dafür gibt es gleich zwei Konten, auf die man doch bitte seine Gebühren einzahlen möge.
Während ich noch mit der Arbeit an diesem Artikel beschäftigt war, flatterte mir doch glatt ein zweites Exemplar dieses Blattes ins Haus, genau so unverlangt wie das erste. Statt acht nunmehr vier Seiten umfassend, natürlich wieder mit dem obligaten Einzahlungsschein darin. Diesmal hatte man sich im Wesentlichen darauf beschränkt, an christliche Kirchen Prügel auszuteilen. Nicht daß mich dies besonders beeindrucken oder erfreuen würde, dennoch frage ich mich, was es denn einen deutschen oder österreichischen Konfessionslosen, der dieses Blatt womöglich wirklich für sein sauer verdientes Geld bezieht, denn wohl interessiert, daß Skandale Griechenlands Kirche erschüttern oder der Patriarch von Jerusalem wegen irgendwelcher Immobiliengeschäfte im Zwielicht steht? Auch ein anderer Text, in dem es um katholische Seelen- und Todestheologie geht, ist in meinen Augen in keiner wie auch immer gearteten Weise seriös dargestellt und aufbereitet. Anstatt dem Leser es selbst zu überlassen, sich aus dem, was er liest, seine eigenen Schlüsse zu ziehen, werden ihm „genehme“ Schlußfolgerungen untergeschoben und präsentiert. Findet man, daß der Leser nicht reif und mündig genug ist, von selbst darauf zu kommen? Oder hat man vielmehr womöglich noch Angst, er könnte gar zu den falschen Schlüssen kommen, solchen, die den Herausgebern gar nicht genehm sind? Zwei Zitate sollen illustrieren, was ich meine (In „[]“ jeweils die „steuernden“ Anmerkungen der Redaktion der Kirchenfreien Rundschau, Layout gem. dem Original). „Stets hat die Kirche gelehrt, daß der Mensch eine geistige, selbständiger
Existenz fähiger Seele besitzt, die unsterblich ist. [Das ist eine Behauptung, aber kein naturwissenschaftlicher Beweis.]“ und, etwas komplizierter, aber noch besser illustrierend, was ich zeigen will, „Die Kongregation für die Glaubenslehre bekräftigte 1979 die Lehre von der ‚Fortdauer und Subsistenz [lat., veraltet für (Lebens-)Unterhalt] eines geistigen Elements nach dem Tode’, der Seele. [Dies ist typische theologische Rabulistik7, zwei verschiedene Aussagen zu einer zu verbinden, um ein bestimmtes Ereignis scheinbar zu bestätigen: In dieser Aussage wird nur von der
‚Fortdauer … eines geistigen Elements’ gesprochen. Daß dies die Seele sein soll, wird nur hineininterpretiert. Ein Taschenspielertrick!]“ Das ist blanke Kampfrhetorik, Demagogie übelster Sorte, da sie in Form eines Artikels erfolgt und nicht in einem fairen Streitgespräch. In Wahrheit wird es dadurch für einen an der Sache interessierten Leser um ein wesentliches schwieriger, sich eine eigene Meinung zu bilden. Aber scheinbar liegt das auch absolut nicht im Interesse des Herausgebers der Zeitschrift. Sehr eigenartig für einen Verein und eine Zeitschrift, die sich freigeistige Demokratie an ihre Fahnen heftet. Daß auf der letzten Seite dann noch alibihalber über Astrologen hergezogen wird, rundet das Bild nur noch ab. Interessanterweise fehlt in diesem Exemplar der Zeitschrift die vorher erwähnte Offenlegung der Blattrichtung. Zufall, Platzmangel oder Absicht? Irgendwie stellte sich bei mir doch die Ernüchterung ein, gepaart mit der befriedigenden Gewißheit
(obwohl wissenschaftlich nicht ungefährlich), daß sich der erste Eindruck bei mir bestätigt hatte. Diese „Österreichische Körperschaft der Staatsbürger ohne religiöses Bekenntnis“, die ein „Zeitschriftchen“ unter dem hochtrabenden Namen „Europäische Kirchenfreie Rundschau“ herausgibt, ist in Wahrheit um nichts besser als die ganzen Kirchen und Religionsgemeinschaften, über die sie herzieht. Anstatt freigeistiger Philosophie geht es in Wirklichkeit doch auch wieder nur um Konformität, um das rechtzeitige Bezahlen der Gebühren und die Zustimmung zu den Meinungen der
Vorbeter. Eine herausragende Idee, eine Plattform für Menschen zu bieten, die von den eingefahrenen organisierten Religionen die Nase voll haben, aber die Durchführung spottet jeder Kritik. Mit Besessenheit sucht man hier das, was der Church of Satan in herausragender Weise gelungen ist, für sich zu beanspruchen, jedoch ohne den Hauch eines Erfolges. Bei uns gibt es tatsächlich all das, was hier diese ominöse Körperschaft vergeblich sucht, nämlich Individualität, Freigeist, Kultur, Philosophie, aber auch Verantwortlichkeit für die Verantwortlichen.
Jedenfalls hat sich wieder bewahrheitet, daß die Feinde meiner Feinde nicht notwendigerweise meine Freunde sein müssen, genauso wenig wie die Freunde meiner Freunde. Aber „Kenne den Feind und kenne dich selbst, dann wirst du nicht in Gefahr sein.“, sagte schon der große Sun Tzu. Und diesmal ist der Gang zum Altpapier wohl endgültig...
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1 „Der Mensch ist frei in dem Augenblick, in dem er es wünscht.“
2 Europäische Kirchenfreie Rundschau, Heft 1, 2005, S.2, A-1060
Wien
3 Ibid.
4 Ibid., alle Hervorhebungen gemäß dem Original
5 Siehe dazu auch den interessanten Artikel „Warum die Österreicher
so gerne lamentieren“ unter
http://science.orf.at/science/news/144046
6 Österr. Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten,
§47 (1)
7 Rabulistik: Wortverdreherei, Haarspalterei (Duden)